0%
 
Mi, 09.10.2024 | 09:05-09:30 | Ö1

Radiokolleg

Die Frau, ihre Lippen, ihre Vagina, ihr erotisches Begehren, markieren quer durch die Kulturgeschichten eine Lust- wie Gefahrenzone. Da sind die rot geschminkten Lippen, die auf Plakaten, Kunstwerken leuchten und werben: dahinter lauert das Saugen und Aussaugen, der Liebesbiss der gefürchteten wie begehrten Frau, Metapher und Figur des weiblichen Vampirs. Die Angst vor dem Gefressen werden beim Küssen, die Angst vor dem Tod durch die Frau, sind in Film- und Literatur jedoch öfter mit dem Mann verbunden. Es ist der Mann, der als Vampir auftritt, als verführerischer Blutsauger, der seine Lippen ansetzt, der die Zähne zeigt, zubeißt, saugt und sich die Frau einverleibt und damit unschädlich macht. Das ist der bekannte Topos und in aller Munde. Doch unter all den Vampiren, die es in der Filmgeschichte gibt, angefangen von Murnaus "Nosferatu" über den Hollywood-Film "Bram Stoker's Dracula" (1992) von Francis Ford Coppola bis hin zur wunderbaren Buffy, die Vampire jagt, gibt es auch Werke wie "Carmilla", eine 1872 erschienene Novelle des irischen Autors Sheridan Le Fanu, in der die liebestrunkene Begegnung einer jungen Frau mit einem weiblichen Vampir als homosexuelle Variante des Vampirstoffes erzählt wird. Es ist der weibliche Vampir, der die Frau nun nicht mehr hintergründig, sondern eindeutig bissig und gefährlich zur "Symphonie des Grauens" erklärt. Tauchen hier männliche Projektionen auf? Die Angst vor den Liebesbissen der Frau und ihrer sexuellen Macht oder genießt sich die Frau unter Frauen in der lesbischen Liebe vampirisch selbst?

10.61.5.114