0%
 
Detailbild Die Fuchsflüsterin
Do, 10.10.2024 | 04:50-05:35 | 3sat

Die Fuchsflüsterin

Es gibt auf der ganzen Welt vermutlich nur eine Frau, die sich mit einem Polarfuchs unterhalten kann: Die Biologin Ester Rut Unnsteinsdóttir erforscht seit über 20 Jahren die Füchse Islands. Sie kann sogar den Lockruf der Fuchsmutter imitieren, um Welpen aus dem Bau zu locken _ damit sie ihre Zahl, ihr Alter und ihre Gesundheit überprüfen kann. Eine echte Fuchsflüsterin. Nirgendwo leben mehr Polarfüchse pro Quadratkilometer als auf der Halbinsel Horn im Nordwesten Islands. Dreimal will Ester dieses Jahr dorthin kommen. Die Füchse beobachten und dabei auch die Schicksale einzelner Fuchsfamilien verfolgen. Die Füchse auf Horn sind ein Gradmesser für Islands Bestände: Wenn selbst dort, unter optimalen Lebensbedingungen, etwas schieflaufen sollte, könnte es schlimm werden für alle Füchse auf Island. Im März vor sieben Jahren war Esters Winterexpedition niederschmetternd. Damals hatten sehr viele Füchse den Winter nicht überlebt. Es war nicht die Kälte. Und auch nicht Hunger: Am Strand lagen viele tote Seevögel als Nahrung. Was war die Ursache dieses Fuchssterbens? War es noch eine natürliche Schwankung des Bestands, oder schon eine außergewöhnliche Situation? Können die Polarfüchse so die nächsten Jahrzehnte auf Island überhaupt überleben? Vielleicht liegt eine Antwort im Meer, das die Füchse ernährt. Denn die Ozeane sind mit einer Unzahl von Chemikalien verschmutzt. Tiere nehmen viele davon mit der Nahrung auf, und am Ende der Nahrungsketten reichern sich solche Gifte in ungleich höheren Mengen an. Auch Seevögel haben die Gifte in ihren Körpern und geben sie hochkonzentriert an die Füchse weiter. In Esters Fuchs-Proben fanden Forscher große Mengen an Quecksilber. So viel wie bei den Füchsen der russischen Pazifikinsel Medny. Dort verschwanden zwischen 1970 und 1980 90 Prozent aller Füchse, und ihre Zahl hat sich seither nicht erholt. Werden auch die Füchse auf Horn durch dieses Nervengift geschwächt? Quecksilber aus der Verbrennung von Kohle, aus der Industrie und aus Vulkanausbrüchen endet im Nordatlantik. Er ist eins der am stärksten mit Quecksilber belasteten Meere der Welt. Trotzdem, für Ester ist es endlich wieder ein gutes Fuchsjahr. Schon lange gab es nicht mehr so viel gesunden Nachwuchs. Aber das Überleben der Füchse bleibt durch das giftige Quecksilber in ihren Körpern bedroht. Ester weiß, dass sie nicht viel dagegen tun kann. Sie wird auch im nächsten März zurück nach Horn kommen und dann wieder den Spuren der Füchse folgen.

10.61.5.115