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Sa, 06.07.2024 | 19:30-21:30 | Ö1

Carinthischer Sommer 2024

Fast sechs Jahre sind seit dem letzten Auftritt des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien beim Carinthischen Sommer vergangen. Jetzt kehrt das ORF RSO Wien mit neuer Aufgabe zurück nach Villach _ als ständiges Festivalorchester des traditionsreichen Kärntner Festivals. Sowohl das Eröffnungs- als auch das Abschlusskonzert (04. August) tragen dabei die typische Handschrift unseres Orchesters: selten zu hörende Werke von und mit Frauen am ersten Abend, (Film-)Musik des 20. Jahrhunderts am Abschlussabend.Fanny Mendelssohn-Hensel, Clara Wieck-Schumann, Hannah Eisendle und Louise Farrenc sind die Komponistinnen des Eröffnungsabends in Villach. Alle vier Komponistinnen werden ursprünglich als Pianistinnen ausgebildet; Clara Wieck-Schumann und Fanny Mendelssohn bereits ab frühester Kindheit. Ihre große Begabung, ihre Herkunft aus Musikerfamilien und das damalige Interesse des Konzertpublikums an "Wunderkindern" veranlasst ihre Eltern _ oder besser: ihre Väter _ zur Förderung der Mädchen.Clara Wieck-Schumann erhält neben der praktischen Ausbildung am Klavier auch Unterricht in Musiktheorie, Harmonielehre, Komposition, Kontrapunkt, Orchestrierung, Violine und Gesang. Mit so viel Musik im Kopf ist der Schritt zu den ersten Kompositionen nur noch ein kleiner: Mit zehn Jahren schreibt sie erste Polonaisen für Klavier. Es folgen Capricen, Romanzen, Walzer und 1835 dann _ Clara Wieck-Schumann ist 16 Jahre alt _ ihr erstes Konzert für Klavier und Orchester.Als der Musikkritiker Carl Friedrich Becker das Werk zwei Jahre später in der "Neuen Zeitschrift für Musik" besprechen soll, lässt er keinen Zweifel daran, was er von komponierenden Frauen hält: "Von einer eigentlichen Rezension soll gar nicht die Rede sein, da wir es mit dem Werke einer Dame zu tun haben." Dennoch erzielt das Konzert insgesamt positive Resonanz _ und zu Recht! Es ist wunderbare Musik, mit der die Komponistin das Klavier originell und doch dem Geschmack der Zeit entsprechend ins Rampenlicht rückt.Denn: Nicht Mozart oder Beethoven stehen damals regelmäßig auf den Programmzetteln, sondern vielmehr Komponisten wie Kalkbrenner, Field und Hummel. Leuchtender Stern am Firmament ist aber Frédéric Chopin. Sein erstes Klavierkonzert mit seinen ungeheuer schwierigen Passagen und der fantasievollen Führung des Soloinstrumentes inspiriert auch Clara Wieck-Schumann. Originalität und Einfallsreichtum sind gefragt _ mit virtuosen Läufen und kunstvollen Arpeggios, dem temperamentvollen Wechselspiel zwischen Klavier und Orchester und dem Hinwegsetzen über traditionelle Formmodelle sowie einem ungewöhnlichen zweiten Satz, in dem nur das Soloinstrument und ein Cello in den musikalischen Dialog treten, verzaubert Clara Wieck-Schumann das Publikum. Beim Konzert in Villach übernimmt die mehrfach ausgezeichnete Pianistin Claire Huangci den Solopart.Auch Louise Farrenc wählt das Klavier als Instrument für ihre ersten Werke als Komponistin; die Air suisse varié bringen ihr anerkennende Worte von Robert Schumann ein. Ab den 1830iger Jahren komponiert sie auch für Orchester. Es entstehen Ouvertüren und Orchestervariationen und schließlich drei Symphonien, von denen die dritte ihr größter Erfolg wird. Obwohl Louise Farrencs Mann Flötist und noch vielmehr ein bekannter Verleger ist, werden die Symphonien zu ihren Lebzeiten nicht öffentlich publiziert, wohl aber öfter aufgeführt. In den Orchesterwerken ist der Einfluss ihres Lehrers Anton Reicha spürbar _ auch in der dritten Sinfonie sind Anklänge an die deutsche Klassik und Romantik deutlich zu hören.Nur wenige Kompositionen von Fanny Mendelssohn-Hensel sind bis zum heutigen Zeitpunkt veröffentlicht. Darunter die festliche Ouvertüre in C-Dur, ein fantasievolles Werk mit effektvoller Orchestrierung _ die ideale Musik zur Eröffnung eines Festivals. Und kein Konzert mit Musik von Frauen ohne zeitgenössische Komponistin: Mit Hannah Eisendles "Azinheira" schlagen wir beim Carinthischen Sommer die Brücke vom 19. Jahrhundert in die Gegenwart.

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